Ich gehe schichten…

Das Leben ist wie ein Bergbach, das eigene Sein wie ein Wassertropfen. Schicht für Schicht, Ebene für Ebene geht es hinunter zum Meer. Mal wird man nach der einen Seite geworfen, mal nach der anderen. Mal fließt man dahin, mal geht’s in den freien Fall. Und irgendwann landet man im Ozean und auch da geht der Kreislauf weiter.

… oder welche Erfahrungen sich in meinen prägenden Jahren sich so ansammelten.

Auch bei mir haben sich so einige Geschichten im Leben angesammelt, die einen bleibenden Eindruck hinterließen. Ich möchte an dieser Stelle einmal die Gelegenheit nutzen, ein paar davon heraus zaubern und dies von Zeit zu Zeit erweitern.

Schulzeit

Der Kindergarten war zu dieser Zeit noch nicht Standard. Er blieb mir sozusagen erspart, denn ich durfte meine Zeit bis zum Beginn der Schule ganz natürlich spielen.

Ich war gerade mal 5, als mein Vater mich das erste Mal zur Schule brachte. Der Direktor fragte mich, ob ich denn schon nach dem Sommer zur Schule kommen möchte. Ich antworte mit einem soliden Nein. Genutzt hat es nichts, denn eingeschult wurde ich dann trotzdem.

Im ersten Schulhalbjahr der ersten Klasse wurden wir noch in eine Jungen- und eine Mädchen-Klasse unterteilt. Erst ab dem zweiten Halbjahr wurden Jungen und Mädchen dann in einer Klasse geführt. Hier lernte ich dann auch meine liebe Ulrike, meine spätere Ehefrau, kennen. Damals hatte ich das nicht ahnen können…

Gymnasium

Der Wechsel zum Gymnasium brachte den ersten Trennungsschmerz mit sich. Mein bester Freund aus der Grundschule, Dayle, ein US-Amerikaner, wollte nicht mehr mit mir spielen, da ich ja jetzt aufs Gymnasium ginge und somit etwas Besseres sei. Ich konnte ihm den Quatsch ausreden. Eins hatte ich vom Vater schon gelernt. Schau auf keinen Menschen hinab und auf keinen herauf. Leider verlief sich unsere Verbindung dann dennoch. Als ich ihn etwa 40 Jahre später wieder fand, konnte ich nur noch mit seiner Witwe sprechen. Er war kurz vorher in die andere Welt gegangen.

Das Gymnasium war eine reine Jungenwelt. Es hieß Schloß. Die Mädchen gingen ins benachbarte Frauenlob. Sauber getrennt waren die Gymnasien dennoch nicht. Wir hatten auch Lehrerinnen und sie auch Lehrer. Es ist immer wieder interessant, wie sich Konsequenz bei genauerem Hinsehen verflüchtigt. Und da waren noch die großen Pausen. Du kannst mal raten, wo wir Jungs da meist waren.

Das interessanteste an dieser Schulzeit waren die Aufenthalte im Schullandheim oder noch interessanter im Zeltlager. Insbesondere wenn unser Pfarrer Reh die Führung übernahm. Er war zwar streng katholisch, dabei aber vornehmlich Mensch und machte da keine Unterschiede. Heute würde man ökumenisch dazu sagen. Sein Schwerpunkt war nicht die religiöse Bildung, sondern das Erleben des Lebens – richtige Abenteuer, wie andere Zeltlager überfallen und ausgiebige Schnitzeljagden.

Senior High School

Meine, mit Abstand schönste, Schulzeit begann. Ein Jahr in Seattle, Washington, USA. Dieses Jahr hat mich persönlich besonders befreit. Ein Schuljahr ohne Schlägereien, ohne Diskriminierungen, ohne schnödes nur-theoretisieren. Holzarbeiten, aktive Biologie mit Sezieren und Schildkrötensuppe kochen. Ja ich weiß. Aber zum Leben gehört auch das Wandeln. Und viel Sport, sehr viel Sport. Nicht nur in der Schule. Ich lernte Skifahren und Eishockeyspielen. In der Schule gründeten wir einen Schachclub und nahmen erfolgreich an den Staatsmeisterschaften teil. Und, best of all, keine unnatürlichen Trennung zwischen Mädchen und Jungs. Ich erlebte erstmals, daß Schule auch viel Spaß machen kann. Und das, obwohl ich meist weit laufen mußte, hin und zurück.

Gymnasium, Oberstufe

Zurück in meiner Klasse… aber befreit. Kein Verprügelt werden mehr in der Schule. Ich setzte direkt einen Punkt und das, was mich in der Schule bisher am meisten quälte, war Geschichte. Eine große Lektion für mich. Ach ja, Mädchen wurden in unserem Jungengymnasium eingeführt, auch in der Oberstufe.

Da ich mich in den USA vom sehr mäßigen Schüler zum Einser-Schüler entwickelt hatte, so der Direktor, durfte ich auch direkt wieder in meine Klasse und mußte das Jahr in Amerika nicht nachholen.

Die Mainzer-Studien-Stufe wurde eingeführt und wir durften unsere Leistungskurse ganz frei wählen. Das tat ich dann auch. Leider kamen die Kurse so aber nicht zustande. Einschränkungen wurden eingeführt. Interessant, was einem so alles als freie Entscheidung angepriesen wird. Und so hatte ich dann eine relativ klassische Auswahl: Englisch, Biologie, Sozialkunde und Mathematik.

Tanzkurse waren zu der Zeit für Jungs nach dem ersten Mal kostenlos, weil es in den Tanzschulen an Jungs mangelte… Eine schöne Zeit.

Abitur. Juhu, endlich rumm. Und eine erste Grundsatzentscheidung fürs Leben:

“Ich werde nie wieder eine Schule betreten oder privaten Kontakt mit einem Lehrer zulassen.”

Das war mein ganz persönliches Fazit meiner Schulerfahrung. Folgerichtig, da ich nicht der Einzige mit dieser Entscheidung war, fuhr unsere Clique nach Spanien an den Strand und machten Party. Viele Jahre später erfuhr ich, dass mein Vater es mir lange übel nahm, daß dadurch für ihn der Abiturientenball ausfiel. Er hatte sein Abi in der gleichen Schule gemacht. Wir hatten auch gemeinsame Lehrer. Wie im Übrigen auch später mein erster Sohn.

Bundeswehr

Damals gab es die Wehrpflicht. Man konnte auch verweigern und einen Zivildienst machen. Ich zog den Wehrdienst vor und wählte die Feldjäger. Deutsche Militärpolizei klang spannend. Und ja, das war sie auch. Ich verpflichtete mich dann nach der Grundausbildung auch für 4 Jahre. Ich habe diese 4 Jahre wirklich genossen. Da wir zu einem großen Anteil Zivilfahndung machten, lernte ich eine weites Umfeld kennen. Insbesondere das Erleben von Familienverhältnissen in einem Rahmen, der für mich bis dato nicht vorstellbar war, sollten mir im späteren Leben extrem hilfreich werden. Auch die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Diensten war höchst interessant.

Um es kurz zu machen: Ich traf meine Mitschülerin Ulrike aus der ersten Klasse wieder und wir zündeten den Turbo. 13 Wochen später waren wir verheiratet und ich beschloß die Zeit bei der Bundeswehr nach den 4 Jahren zu beenden.

Studium

In der Einführungsveranstaltung Informatik saß ich neben einem über 60 Jährigen. Das war damals für mich ein alter Mann. Allerdings war er ziemlich rüstig im Geiste….
Und ich lernte einen echten Freund fürs Leben kennen. Studium Generalis war meine Leidenschaft. Interdisziplinäres Wissen, Austauschen mit anderen Fakultäten. Auch die juristischen Grundlagen zu meiner Tätigkeit als Militärpolizist eignete ich mir an. Mein Vater hatte mir eine Empfehlung mitgegeben: “Geh in eine Verbindung und in eine Partei“.

Ich setzte die Empfehlung um und machte meine Erfahrungen – sehr viele positive und ein paar negative auch. So ist das Leben. Insbesondere an den Negativen wächst man. Da ich mich nicht als Mitläufer sah, übernahm ich bei beiden Verantwortung.

Mein Aufbaustudium war der Hit. Staatlich nicht anerkannt, aber von der Wirtschaft begehrt. So sagte es der Herr vom Amt. Deshalb sei das auch vom Staat gefördert. Diese Logik kam mir paradox vor. Allerdings war dieses Jahr phantastisch und ja, es brachte den vorhergesagten Erfolg.

Beruf

EDV – Leiter in der Automationsindustrie

5 Stunden praktisches Vorstellungsgespräch. Das Netzwerk war ausgefallen und die frisch eingeführte Verwaltungssoftware lief nicht. Die Frage, ob ich mal nachschauen könnte, führte dazu, daß die Systeme wieder liefen und ich den Job hatte. Auf Empfehlung war ich zu dem Termin gekommen. EDV, so hieß damals die IT noch. Ich entwickelte meine erste richtig komplexe Software – ein Meßwerterfassungssystem für Robotersteuerungen.

Unternehmer

Meine Frau gewann ein Skiwochenende und das Universum klopfte nachdrücklich bei mir an. Ich brach mir einen Halswirbel und mußte 3 Monate die Couch hüten. Viel Zeit zum Nachdenken. Ich kam zu folgendem Ergebnis: Irgend etwas läuft schief in meinem Leben. Ich muß mehr Gas geben. Ich mache mich selbstständig.

Dies hat mir dann einige wunderbare und großartige Geschenke geliefert:

  • zwei tolle Söhne und die Gewissheit mit meiner Frau durch dick und dünn gehen zu können.
  • die Erkenntnis, das es einen nicht glücklich macht, wenn man die Träume von anderen lebt.
  • die Erkenntnis, das es keinen Sinn macht zu beschleunigen, wenn man in die falsche Richtung läuft.
  • Erfahrungen in Branchen und Bereichen, die mir im Beruflichen viele Türen öffneten.
  • wie Abfallentsorgung grundsätzlich funktioniert.

Management Consultant in der IT

Als unser zweiter Sohn geboren wurde lernte ich in einem Vorstellungsgespräch den besten Chef kennen, eine echte Führungspersönlichkeit, ein echter Unternehmer. Die nächsten Jahre brachten mir eine ganze Reihe großer Erkenntnisse:

  • Wochenendehen sind, auch wenn sie monetär lukrativ sind, nicht auf Dauer für mich geeignet.
  • Ich kann vor großen Fachkreisen Fachvorträge halten.
  • Ich behalte in brenzligen Stress-Situation den Faden zu einer Lösung.
  • Ich kann auf Augenhöhe mit jeder Hierarchieebene kommunizieren.
  • Kommunikation ohne jeweilige Sprachkenntnis ist gut möglich, wenn alle es wollen.
  • Nicht jeder Kollege ist ein Freund.
  • Nicht jede Kutsche, die man zieht, ist die Eigene.
  • Ich kann Teams führen.

So entwickelte ich mich vom Consultant zum Mitgründer und -gestalter einer Softwareabteilung. Wir konzipierten ein komplexes und völlig neuartiges HelpDesk System, das international zum Einsatz kam.

Senior Consultant

Der Wechsel vollzog sich auf Empfehlung. International sollte es sein. Weltmarktführer war das erklärte Ziel. Ganz groß hinaus. Die ganz großen Webseiten der Top Global Player. Es war eine fantastische Zeit bis die IT-Blase platzte.

Auch diese Zeit hielt tolle Erfahrungen für mich bereit:

  • Ich kann mich im internationalen Umfeld sehr gut bewegen.
  • Jeder hat seine eigenen (multi-)kulturellen Prägungen und Geschichten.
  • Vertraue nicht darauf, daß der Andere Deine Sprache nicht versteht, selbst wenn er es sagt.
  • Schneller, höher, weiter ist ein sehr trügerisches Eis.
  • Familie ist das wichtigste Fundament. Es ist ein Fundament, das allerdings Pflege benötigt.

Projektkoordinator und Betriebsrat

Anfangs sagte ich, ich habe meinen Ruhestand erreicht. Zeiterfassung, bezahlte Überstunden, Maximalstundenzahl, alles Erfahrungen, die ich vorher nicht gemacht hatte. Genau das Richtige in dieser Phase meines Lebens. Konsolidierung von mir, meiner Familie und dem Beruf war die für mich wichtigste Zielsetzung.

Meine Leidenschaft für neue Lösungswege wurde dennoch voll befriedigt. Ich erschuf mit Kollegen eine Software zur vollautomatischen Erstellung von Schulungsunterlagen aus vorhandenen Bauteilen und individuellen Einheiten, die der Kunde selbst in der Software erstellen und lektorieren konnte. Und das Ganze lukrativ, ab der Stückzahl Eins.

Eine Unternehmenskrise führte zur Gründung eines Betriebsrates, etwas das ich nie für mich als notwendig erachtete. Da ich gebeten wurde, meine Erfahrungen für andere nutzbar zu machen, ließ ich mich auf diese Erfahrung ein. Etwa 10 Jahre als Betriebsratsvorsitzender oder Stellvertreter folgten. Parallel zu meiner eigentlichen Tätigkeit.

Entrepreneur

„Entrepreneur ist keine Berufsbezeichnung. Es ist die Geisteshaltung von Menschen, die die Zukunft verändern möchten.“

Guy Kawasaki

„Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.“

Laozi

„Jedes Problem ist eine verkleidete Möglichkeit.“

John Adams

Verändere Dein Leben oder das Leben verändert Dich.

Iyánéé

In lak’esh

Ich bin (ein anderes) Du

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