Wildes Denken

Mit was fängt man an, wenn man sich vorstellt? Nein, ich bin nicht mein Job, bin nicht mein Familienstand, auch nicht mein Motorrad oder mein Kontostand. Auch mein Beruf bin ich nicht. Wann fängt aber die eigene Geschichte an? Mit der Geburt etwa, vor der aber schon die Zeugung und die Ahnen waren. Die Inkarnationsgeschichte etwa? Wohl kaum. Ich wählte einen anderen Ansatz und schreibe darüber gerade mein nächstes Buch. Das erste Kapitel wird wohl wie folgt starten:

Der  Zauberer und seine Hexerey

Ankunft

Auf einmal war er da. Keiner hatte ihn vorher je gesehen. Wie ein Blitz war er aufgetaucht. Aus dem Nichts war er gekommen. Anders konnte er es sich nicht erklären.

Auch kein anderer konnte ihm mitteilen, was passiert war. Sie schienen zu sprechen. Er konnte sie zwar hören, verstehen konnte er ihre Sprache allerdings nicht.

Sie schienen ihn zu mögen, gaben ihm ein Lächeln und Nähe. Eine schien ihn besonders zu mögen, sie schmiegte sich ganz an ihn. Eine Flüssigkeit trat in seinen Mund und er war schnell satt. Ihm war gar nicht bewusst, wie sehr es ihn gehungert hatte. Er versuchte es ihr zu sagen, allerdings kam nur ein Glucksen aus seinem Mund.

Und dann schlief er wieder ein.

Es war wie ein Traum. So real und doch so unwirklich.

Wo war er? Was sind das für Wesen da? Was wollen die von mir?

Ein Wesen schien er gut zu kennen, obwohl er es noch nie gesehen hatte. Er kannte jedes der Gefühle, die das Wesen hatte. Wie wenn er es schon einmal gefühlt hätte.

Und dennoch hatte er das Wesen noch nie mit seinen Augen gesehen.

Wer was das Wesen?

Er genoss ganz offensichtlich die Nähe. Er genoss die Flüssigkeit. Und er schlief wieder ein.

Immer wieder.

Irgendwann wurde ihm bewusst, daß die Wesen ihm immer wieder etwas Frisches, Gewaschenes um den Leib legten.

Immer wenn es ihm warm und weich in diesem Wickel wurde, nahmen sie ihn, entfernten die Stoffe. Sie wuschen ihn mit Wasser und legten frische Stoffe um ihn.

Dann gab es wieder die leckere Flüssigkeit. An sie hatte er sich mittlerweile gewöhnt. Und dann schlief er wieder ein.

Manchmal versuchte er mit ihnen zu sprechen. Irgendwie klappte das nicht und manchmal schrie er sie an.

Sie verstanden ihn nicht. Er wollte nur seinem Frust Gehör verschaffen, sie aber gaben ihm wieder Flüssigkeit und wippten ihn hin und her.

Oft war das ermüdend für ihn. Und so verschlief er die meiste Zeit.

Mit der Zeit sah er immer mehr von diesen Wesen. Verstehen konnte er ihre Sprache noch nicht. Zumindest das Gehörte. Sie schienen mehr über das nicht Hörbare zu kommunizieren, als über ihre Laute. Das allerdings konnte er sehr gut verstehen.

Und so beschloss er mit ihnen über das nicht Hörbare zu kommunizieren und sich mit dem hörbaren noch zu gedulden.

Die Wesen kamen und gingen. Manche blieben länger. Oder blieben länger weg. Leider musste er feststellen, dass sie die nicht hörbare Kommunikation zwar anwendeten, aber scheinbar nicht wirklich gut verstanden. Manchmal sogar gar nicht. Er stellte fest, dass das nicht nur ihm selbst so ging, sondern dass sie sich auch untereinander nicht hörbar nicht wirklich gut verstanden.

Seltsame Welt, in der er hier angekommen war.

Er verlor ein wenig das Interesse an den Wesen um ihn herum und fing an, sich selbst näher zu untersuchen.

Er untersuchte die Funktionalität seiner körperlichen Erscheinung und lernte damit umzugehen. Er prüfte, spielte, scheiterte, versuchte nochmal. Bis er seine körperlichen Fähigkeiten immer besser einzuschätzen wusste.

Die Erinnerungen, wo er zuletzt war und wie er hierhergekommen war, fingen an zu verblassen.

Mittlerweile hatte es auch das eine oder andere Gehörte der Wesen besser greifen und nachmachen können.

Der erste Klang, der ihm gelungen war, klang etwa so:

Maa-maa.

Und schon kam das Wesen, das ihm immer wieder diese lauwarme, süß-saure Flüssigkeit gab.

Ob er sich je daran gewöhnen würde?